Die Schwarzenberger Glocken

Die heutigen Glocken der St. Georgenkirche begleiten uns täglich mit ihrem Läuten.
Allerdings sind sie weder klanglich, noch in der Gestaltung mit ihren bronzenen Vorfahren zu vergleichen.
Bis zum großen Stadtbrand im Jahre 1709 befand sich auf dem Platz am heutigen "Unteren Markt" die alte Schwarzenberger St. Georgenkirche.
Dieses Gotteshaus war ein Zeuge der Frühgeschichte unserer Stadt.
Durch den Bau der heutigen Kirche in den Jahren von 1690 - 1699 stand jenes Kirchlein zur Zeit des erwähnten Stadtbrandes bereits zehn Jahre unbenutzt.
Heute finden wir am ehemaligen Standort der alten Kirche die Gebäude -Untere Schlossstrasse 3 und die Kreissparkasse.
Von den Glocken der alten Kirche ist bekannt, dass sie nach etwa 200jährigem Dienst im 15. Jahrhundert abgenommen und umgegossen wurden.
Die zwei großen neugegossenen Bronzeglocken überführte man 1698 in den Turm der neuen Kirche.
Leider schmolzen sie bei dem Stadtbrand von 1709. Das Feuer vernichtete einen Teil des elf Jahre zuvor fertiggestellten Turmes, konnte aber noch rechtzeitig unter Kontrolle gebracht werden. Die Kirche selbst wurde durch die Einwohnerschaft von Bermsgrün und Crandorf
vor den Flammen gerettet.
Zeugen des Turmbrandes finden wir noch heute in Form angekohlten Balkenwerkes unterhalb der Glöckner- und Türmerstube.
Auch am Türsturz der Glockenstube kann man die Brandspuren nach deutlich erkennen.
Bereits kurze Zeit nach der für Schwarzenberg verheerenden Katastrophe, verfügte die Kirche über ein bronzenes Dreiergeläut.
Im Jahr 1865 wurden diese Glocken durch den "Kgl. Stück- und Glockengießer" Johann Gotthelf Große zu Dresden umgegossen.
Am 18. Juni 1878 zersprang die große Glocke beim Läuten. Nur wenig später konnte am 18. September 1978 die neue Große geweiht werden. Sie war von der gleichen Firma noch einmal umgegossen worden.
Dieses Dreiergeläut wurde im Mai 1916 von den geraden Holzjochen in gesteltzte (gekröpfte) Joche umgehängt. Das hatte den Vorteil, dass beim Vollgeläute statt des Glöckners und zweier Läutebuben nun der Glöckner das Läuten aller Glocken allein bewältigen konnte.
Bei dieser Umbaumaßnahme mussten auch die Klöppel anders gelagert werden. Durch den dabei entstehenden anderen Anschlagswinkel der Glockenklöppel wurde der Klang stark gemindert. Dennoch wandte man wegen Personalmangels diese Methode vielerorts an. Der Umbau erfolgte durch die Firma: "Hof-Glockengießerei Franz Schilling Söhne" in Apolda.
Kurze Zeit nach dieser Maßnahme bekamen die Glocken erstmals elektrische Antriebe.
Doch nur wenig später musste man feststellen, dass dieses eingebaute Läutesystem der Witterung unserer Erzgebirgsregion auf Dauer nicht standhalten würde.
Aus dem Grund musste das Läuten wieder von Hand erfolgen.
Am 1. März 1917 erließ die Regierung des Deutschen Reiches ein Gesetz zur Erfassung aller Bronzeglocken. Die Meldeliste für die St. Georgenkirche wurde am 18. Mai 1917 durch Herrn Oberpfarrer Rodolf Hauffe ausgefüllt.
Der damalige Glockensachverständige Prof. J. Biehle aus Bautzen prüfte die Glocken auf Klangbesonderheiten, denn es bestand die Möglichkeit, besonders wertvolle Glocken in eine andere Kategorie einzuordnen und von einer Ablieferung für die Rüstungsindustrie zurückstellen zu lassen. In seinen mehrfachen Gutachten bescheinigte er dem Geläut von St. Georgen besondere Klangqualitäten. Vor allem der Klang der Großen, im Volksmund als "Dicke Marie" bezeichnet, sei beeindruckend. Jene Gutachten hatten zur Folge, dass nicht, wie gefordert, die große und mittlere, sondern die mittlere und kleine Glocke abgeliefert werden mussten.
Am 17. Juni 1917 wurden diese beiden Glocken abgenommen und am 19. Juni vormittags unter dem Geläut ihrer "großen Schwester" zum Bahnhof gefahren.
Dort war die Sammelstelle für die Glocken der umliegenden Ortschaften eingerichtet worden, die hier in Bahnwaggons verladen wurden und am 27.Juni der Vernichtung entgegenfuhren.
Im Jahr 1920 beschloss der Kirchenvorstand , zwei neue Glocken gießen zu lassen. Als Alternative zu herkömmlichen Bronzeglocken wurden infolge Materialmangels nun Stahlglocken angeboten. Am 12. Oktober 1920 trafen die beiden in Torgau gegossenen Glocken auf dem Bahnhof in Erla ein, wo sie mit technischen Hilfsmitteln der Eisengießerei Breitfeld vom Bahnwagen auf das Pferdefuhrwerk gehoben wurden.
Zahlreiche Menschen formierten sich zu einem Festzug und begleiteten die Glocken zum Schwarzenberger Marktplatz. Viele säumten die Straße.
Vor dem alten Rathaus wurden die Glocken von Stadt- und Kirchevätern in Empfang genommen. Nach dem feierlichen Empfang und der Weihe, zog man die Glocken auf den Turm und dort läuteten sie zwei Tage später zum ersten Mal.
Obwohl die Stahlglocken dem Klang der noch verbliebenen Bronzeglocke angepasst worden waren, konnte der vorherige harmonische Gesamtklang nicht erzielt werden. Aber man nahm dies nach der langen Entbehrung des Vollgeläutes gern in Kauf.
Im Mai 1940 erfolgte die Erfassung der im I. Weltkrieg verschonten Bronzeglocken.
So musste nun auch die große Glocke der Georgenkirche wieder gemeldet werden.
Trotz Bemühens der damaligen Pfarrer, diese Glocke für die Gemeinde zu erhalten, musste sie im Juni 1942 aus dem Turm geholt werden. Auch die Hinweise auf die Gutachten aus dem I. Weltkrieg konnten dies nicht verhindern.
In den Jahren von 1942 bis 1947 läuteten im Turm von St. Georgen die 1920 gegossenen Stahlglocken.
Ihr Klang war bei weitem nicht zufriedenstellend und ohne die fehlende große Bronzeglocke recht unsauber. Aus dem Grund ließ der Kirchenvorstand 1947 ein neues Dreiergeläut gießen.
Diese von der Firma Lattermann in Morgenröthe gefertigten Eisenhartgussglocken weisen ein sauberes Klangbild auf. Ihre Weihe erfolgte am Kirchweihsonntag 1947.
Die beiden Stahlglocken von 1920 stellte man in der Glöckner - und Türmerstube ab.
Ein Jahr nach Weihe der neuen Glocken bekam 1948 die Kirchgemeinde ihre alte große Bronzeglocke von 1878 wie durch ein Wunder zurück. Sie hatte den Krieg unbeschadet überstanden und wurde durch Vermittlung der Glockengießerei Schilling in Apolda vom Glockenfriedhof Hamburg nach Schwarzenberg zurückgesandt.
In der ehemaligen Glöckner- und Türmerstube hatte man für sie ein Gestühl errichtet. Zur Freude der Kirchgemeinde und vieler Einwohner der Stadt war nun auch sie wieder zu hören. Ihre beiden 1920 gegossenen stählernen Schwestern standen neben ihr, konnten aber aus Platzgründen nicht aufgehängt werden.
Mehrfach versuchte der Kirchenvorstand diese beiden Glocken anderen Gemeinden anzubieten. Die erstellten Gutachten über die Teiltonanalyse zeigten jedoch, dass die zahlreichen Teiltöne, die eine Glocke aufweist, untereinander recht unsauber waren. Diese Unsauberkeit konnte nur im Vollgeläute, also mit der tiefen Stimme der großen Bronzeglocke, ausgeglichen werden. Jeder Versuch, die beiden Stahlglocken allein zu vergeben, schlug fehl. So verkaufte man schließlich im Jahr 12968 das komplette alte Dreiergeläut, also die alte Bronzeglocke aus dem Jahre 1878 mit den beiden 1920 gegossenen Stahlglocken an die Kirche Langebrück.




Das alte Bronzegleläut aus dem Jahre 1865 - gegossen von Große Dresden

Große Glocke:
(musste 1878 nochmals neu gegossen werden)
Gewicht: 1600 kg, Durchmesser 1350 mm, Nominal: (Schlagton) d´
Nachhall = Abklingdauer 70 Sekunden

Inschrift:
Die Kirchgemeinde zu Schwarzenberg, bestehend aus Stadtgemeinde Schwarzenberg und der Landgemeinde Bermsgrün mit Erla und Antonsthal, erneuerte ihr Glockengeläute im Jahre 1865.
Mitglieder der Kircheninspektion waren z. Zt. Dr. Pasig - Superintendent, Wiehmann - Gerichtsamtmann, Weidauer - Bürgermeister, als Pfarrer amtierte Eduarg Winter. Diese Glocke mußte im Jahre 1878 neu beschafft werden.
Der Kirchenvorstand Edmund Schelle -Oberpfarrer."

Relief: Der segnende Jesus mit dem Schriftzug:
"Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben" sowie die Bibelworte:
"Ehre sei Gott in der Höhe!" und "Dienet dem Herrn mit Freuden!"

Diese Glocke läutet seit 1968 in der Dorfkirche zu Langebrück.


Große Bronzeglocke vor der Ablieferung im Juni 1942


Rückseite der großen Bronze - Glocke

Vorderseite der großen Bronze - Glocke


Mittlere Glocke:
Gewicht: 800 kg, Durchmesser: 1080 mm, Nominal: fis´,
Inschrift:
"Nun wir denn sind gerecht geworden durch den Glauben; so haben wir Frieden mit Gott, durch unsern Herrn Jesum Christum. "

"Diese Glocke schenkte der Kirchfahrt der Lohgerbermeister Senator Gotthilf Friedrich Meyer in Schwarzenberg, im Jahre 1865"
Relief: Ein Abendmahlskelch mit dem Schriftzug:
"Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken."


Kleine Glocke:
Gewicht: 450 kg, Durchmesser: 900 mm, Nominal: a´,

Inschrift:
"Denn so viele euer getauft sind, die haben Christus angezogen."
"Lasset die Kindlein zu mir kommen und wehret ihnen nicht."


Diese beiden, (Mittlere und Kleine) wurden im I. Weltkrieg für die Sicherung der Metallreserve beschlagnahmt und kehrten nicht zurück.



Stahlglocken aus dem Jahr 1920 - gegossen in Torgau
- sie wurden als Ersatz für die beiden abgelieferten Glocken gegossen -.

Große Glocke:
Gewicht: 1800 kg, Durchmesser: 145 mm, Nominal: fis ´,
(Entsprach dem Nominal der beschlagnahmten mittleren Glocke)

Kleine Stahlglocke:
Gewicht: 1200 kg, Durchmesser: 1280 mm, Nominal: a´,
(Entspricht dem Nominal der beschlagnahmten kleinen Glocke)

Diese beiden Glocken zusammen mit der alten großen Bronzeglocke befinden sich in der Dorfkirche zu Langebrück.




Glockenweihe





Aufzug der Glocken zur Glockenstube 1920



Unser derzeitiges Eisenhartgussgeläut aus dem Jahr 1947 - gegossen in Morgenröthe
Große Glocke:
Gewicht: 2051 kg, Durchmesser 1600 mm, Nominal es´,
Nachhall = Abklingdauer: 45 Sekunden
Inschrift: "O Land, Land, Land, hoere der Herrn Wort"


Mittlere Glocke:
Gewicht: 1172 kg, Durchmesser 1360 mm, Nominal: ges´,
Nachhall = Abklingdauer: 24 Sekunden
Inschrift: "Ein Meister bin ich zu helfen"


Kleine Glocken:
Gewicht: 756 kg, Durchmesser: 1180 mm, Nominal: as´,
Nachhall = Abklingdauer: 24 Sekunden
Inschrift: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage"


Die Glocken erklingen nach der vom Kirchenvorstand beschlossenen und den Kirchenbehörden genehmigten Läuteordnung.
Die Kirchgemeinde sollte am jeweiligen Geläut ihrer Glocken erkennen, um welche Veranstaltung, Amtshandlung bzw. um welchen Sonntag im Kirchenjahr es sich handelt.




Die heutigen Glocken


Die Schwarzenberger Stadtglocken im Turm des alten Rathauses - heute Ratskeller
Auch wenn durch die Kriege viele der Bronzeglocken beschlagnahmt, abgenommen und vernichtet wurden, gibt es in unserer Region noch relativ alte und historische Glocken. Allerdings finden wir diese meist nicht, wie vielleicht vermutet wird, in Kirchtürmen. Vielmehr hängen die wenigen erhaltenen Exemplare in Huthäusern und Rathaustürmen. Und manche Schule kann ebenfalls heute noch stolz auf eine historische Glocke sein.
Auch die meisten dieser Glocken wurden einst für sakrale Dienste geweiht.
Einen besonderen Stellenwert nehmen in unserer Region die Berg- und Häuerglocken ein.
In Schwarzenberg hing seit alter Zeit die Bergglocke im Saigerturm (Uhrturm) des Rathauses.
Dem Schlagwerk des Stadtsaigers (Saacher) dienten zwei Saigerglocken.
Die Bergglocke war davon ausgenommen.
Ab wann es in Schwarzenberg eine Bergglocke gegeben hat, kann wegen der mehrfachen Stadtbrände nicht eindeutig bestimmt werden.
Erwiesen ist, dass im Jahre 1554 ein Bergglöcklein bestanden haben muss, denn in diesem Jahr erließ Kurfürst August eine Bergordnung. Und in dieser verordnet er:
"Man soll früh zu vier Uhren die erste Schicht, die andere aber zu zwölfen, die dritte zu achten des Nachts anfahren und eine Stunde anläuten."
Das Läuten führte der Stadtfron aus, der vom Rat jährlich dafür entlohnt wurde.
Das Gewicht der bronzenen Bergglocke betrug etwa 200 kg. Somit hatte sie die Größe der kleinen Glocke des alten Gotteshauses am Unteren Tor.
Ihr Klang rief die Bergleute ins Huthaus, die sich dort unter Gottes Hut und Schutz stellten. Sie begleitete die Bergbrüder auf ihrem Weg und läutete ebenso, wenn sie zu Grabe getragen wurden zu ihrer "Letzten Schicht".
Auch zur jährlichen Mettenschicht am Heiligen Abend erklang ihr Lied über die Dächer unserer Stadt hinweg.
Im Jahre 1575 musste das Läuten vorübergehend eingestellt werden, denn die Stadt war in großen finanziellen Schwierigkeiten. Aus dem Grund konnte der Glöcknerlohn nicht aufgebracht werden. Erst später wurde das Läuten der Bergglocke wieder aufgenommen.
Leider fiel die alte Bergglocke einem Stadtbrand zum Opfer. Es konnte jedoch eine neue Glocke beschafft werden. Im Jahr 1824 zerschmolz die Glocke beim großen Brand und nach dem Wiederaufbau des Rathauses ließen die Stadtväter zwei neue Glocken gießen. Die Größere von beiden diente als Bergglocke, die kleinere als Rats- und Feuerglocke. Allerdings forderte der Rathausbrand von 1906 beide Bronzeglocken, die dann 1911 durch zwei Stahlglocken mit einem Gesamtgewicht von etwa 350 kg ersetzt wurden und heute noch im Turm hängen.
Die alte Tradition des Läutens aus dem Jahre 1554 ist mit kurzen Unterbrechungen bis heute hin erhalten geblieben. In unserer Zeit begrüßt morgens 9 Uhr die kleine Ratsglocke die Bürger der Stadt und abends 17 Uhr klingt die Bergglocke als Feierabendglocke vom Turm des Schwarzenberger Ratskellers. Samstagabends 17 Uhr läuten beide Glocken den Sonntag ein. Sie dienen auch dem Viertel- und Stundenschlag der Turmuhr.
In den Tagen vom 2. und 3. Advent erklingen sie jedes Jahr zusätzlich um den traditionellen Weihnachtsmarkt täglich ein- und auszuläuten, so wie es ihre bronzenen Vorgängerinnen seit dem 16. Jahrhundert vor ihnen taten.
Ein Höhepunkt für die Bergglocke ist die alljährliche Bergparade am Sonnabend vor dem 3. Advent. Da grüßt sie ihre Bergbrüder aus nah und fern von der Höhe des Ratskellerturmes.


     Gerd Schlesinger
Schwarzenberger Türmer